Als ich auf der La Branch Street im Stadtzentrum von Houston aus meinem Uber gestiegen bin, war das Erste, was ich gesehen habe, ein Trikot mit der Nummer 13 vor dem Toyota Center. Selbst an einem spielfreien Tag für die Rockets zeigt die Stadt ihre Begeisterung für das Team. Etwas orientierungslos bin ich in die Arena spaziert, um herauszufinden, wohin ich gehen muss – und sehe sofort einen der bekanntesten Männer der heutigen Popkultur die Rampe zum Trainingscourt heruntergehen.
Er sah so stylish aus, dass ich Basketball komplett vergessen und ihn stattdessen nur nach seinem adidas-Trainingsanzug gefragt habe. Er hatte dieselbe Ausstrahlung, mit der David Ruffin im Copacabana auf die Bühne gekommen ist, um mit den Temptations zu singen. Aber so cool sein Outfit auch war, die basketballerischen Leistungen von James Harden sind noch viel eindrucksvoller.
Harden ist gerade auf dem besten Weg, sich zum zweiten Mal in Folge die MVP-Trophäe zu sichern – was bisher nur einer Handvoll von Spielern gelungen ist, die entweder schon in der Hall of Fame sind oder unter Garantie eines Tages aufgenommen werden. Genau wie diese Spieler hat Harden sich nicht nur einen Platz unter der Elite der Liga gesichert, sondern sich auch mit verschiedenen Rekorden in die Geschichtsbücher der NBA gespielt.
Wir können über seinen Scoring-Run reden, wir können darüber reden, dass er der Motor ist, der dieses Rockets-Team am Laufen hält, wir können darüber reden, dass er uns tagein, tagaus scheinbar mühelos Highlight-Leckerbissen serviert, nervenstarke Plays und absolut dominante Spiele. Harden ist diese Saison absolut unglaublich und findet in jedem Spiel Wege, seine Genialität auf dem Court unter Beweis zu stellen.
Er führt die Liga nicht nur bei den Minuten pro Spiel an, sondern auch bei den Punkten pro Spiel, den verwandelten Dreiern, den verwandelten Field Goals, den verwandelten Freiwürfen, dem Player Efficiency Rating (PER), der Usage, dem Box Plus-Minus, dem Wert im Vergleich zum Ersatzspieler und den Win Shares. Kurz: Er legt eine spektakuläre Saison aufs Parkett – und setzt damit seine Entwicklung der letzten Jahre konsequent fort.
"Meine Spielweise ist heute völlig anders als am College", sagt Harden. "Ich bin reifer geworden. Ich sehe die Spiele viel langsamer . . . Man muss einfach jedes Jahr besser werden. Manche Spieler gehen in die Halle und arbeiten nur an einem Move oder an einem Aspekt ihres Spiels. Ich . . . ich arbeite an allen Aspekten meines Spiels."
In der letzten Offseason hat Harden sich vor allem auf seinen Stepback konzentriert. Der Move ist von einem netten kleinen Teil seines Arsenals zu seinem Markenzeichen geworden, mit dem er täglich Gegner vernascht.
Stell dir vor, du würdest rückwärts den Court zurücklaufen und siehst James mit dem Ball in der linken Hand vor dir. Er macht ein, zwei schnelle Dribblings, um dich zu verwirren und plötzlich hat er den Ball nach einem Crossover in seiner anderen Hand. Du folgst mit den Augen seinem Bauchnabel, wie alle Coaches es einem immer sagen, und innerhalb einer Millisekunde hat er plötzlich 1,20 Meter Abstand zu dir geschaffen.
Bevor du weißt, was passiert ist, liegst du entweder auf dem Boden und fragst dich, wann der Crossover kam, den du gar nicht bemerkt hast, oder starrst dem Ball nach, der gerade durchs Netz gleitet. Aber James hatte diesen Move nicht schon immer drauf. Er hat ihn entwickelt.
"Sogar letztes Jahr noch habe ich den Stepback viel seltener gemacht. Und jetzt verteidigen die Teams mich anders. Und wenn die Teams einen anders verteidigen, muss man Wege finden, trotzdem noch auf gleichem oder höherem Niveau Einfluss zu nehmen. Der Stepback schafft Abstand zum Verteidiger und hilft mir, mir einen Vorteil zu verschaffen, um meine Mitspieler besser zu machen.
Ich mache dasselbe wie bisher, nur noch einen Level höher. Nächstes Jahr ist es ein anderer Move oder etwas anderes. Man muss sich weiterentwickeln, man muss besser werden und die Evolution des Spiels mitmachen, sonst wird man abgehängt und die Leute vergessen einen."
Apropos Evolution – wenn man Hardens Karriere seit dem College Revue passieren lässt, wird einem klar, dass er sich von einem guten Spieler zu einem wirklich großartigen Spieler entwickelt hat. Sieht man sich die besten Scorer der Liga an, ist klar, dass Harden über die Saison hinweg der beste Angreifer ist. Schon vor Saisonmitte hatten die Houston Rockets eine ganze Reihe von Verletzten zu beklagen. Chris Paul, Eric Gordon, Clint Capela und jede Menge andere wichtige Spieler sind über längere Zeiträume hinweg ausgefallen.
Da drängt sich eine Frage auf: Sind der 40-Punkte-Durchschnitt und mehrere 50-Punkte-Spiele nur aus der Notwendigkeit heraus entstanden oder hat Harden einen Schalter umgelegt und etwas Neues in seinem Spiel freigeschaltet?
"Ein wenig ist es schon so", sagt er selbst, als er erklärt, dass er einfach tut, was nötig ist, um Spiele zu gewinnen. "Ich bin fokussierter als je zuvor, einfach komplett auf das gesamte Basketballspiel konzentriert. Das ist einfach mein Fokuslevel. Basketball besteht aus so vielen Details, die viele Leute übersehen oder von denen sie gar nichts wissen. Und dann meine Arbeitseinstellung. Die hatte ich schon immer, aber einfach an dem zu arbeiten, was eben nötig ist, um mich an den Punkt zu bringen, an dem ich sein muss."
Hardens Serie an Spielen mit mindestens 30 Punkten geht zurück bis in die erste Dezemberwoche – er ist heißer als Rihanna nach dem Release von Pon de Replay. Man kann nach jedem Spiel in seinen NBA-Gruppenchat sehen oder sich bei Twitter einloggen und findet Unmengen von Leuten, die sich über Foulpfiffe beschweren, über die Anzahl an Würfen, die er genommen hat, oder über tausend andere Dinge, aber er lässt sich davon nicht irritieren.
"Mich bringt niemand aus der Ruhe. Ich bin voll fokussiert. Auch die ganze Negativität, die negativen Sachen, die die Leute sagen, ihre klugen Bemerkungen oder Kommentare, die bremsen mich nicht."
Und wie sie ihn nicht bremsen! James spielt seit Jahren jeden Tag gegen die Spieler, die dann am Ende der Saison ins All-Defensive First Team gewählt werden. Man hat fast den Eindruck, dass der einzige potenzielle Stolperstein für Hardens Erfolg seine eigene Gesundheit sein könnte, so hoch wie in letzter Zeit seine Usage Rate ist. Aber das ist ihm absolut bewusst und er sorgt auch aktiv dafür, dass er in Form bleibt, um die Jagd nach dem Playoffplatz bis zum Ende durchzuziehen.
Er sieht für den weiteren Saisonverlauf mehrere wichtige Faktoren.
"Einfach in den Kraftraum gehen, sichergehen, dass meine Beine, Arme und Muskeln stark genug sind", sagt Harden. "Die richtigen Behandlungen bekommen und mit den Physios arbeiten und Massagen bekommen. Als Profi muss man einfach auch in dem Bereich auf hohem Niveau arbeiten, was ich früher nicht immer gemacht habe. Ich gehe sicher, dass ich mich genug dehne, dass ich mich richtig ernähre. Ich muss einfach auf wirklich alle Aspekte genau achten. Zum Beispiel auch an Tagen, an denen ich erschöpft bin, trotzdem in die Halle gehen und trainieren."
James Harden ist ein Ausnahmeathlet in einer Liga voller Ausnahmeathleten. Dass ein Spieler, der von sich selbst sagt, dass er seinen Körper nicht immer richtig behandelt hat, die meisten Spielminuten der Liga hat, ist ein gewaltiger Erfolg. Aber es war kein gewaltiger Umsturz seines Lebensstils, der ihn an diesen Punkt gebracht hat. Es ist einfach die Summe aus vielen Kleinigkeiten. Wenn man mehrmals pro Woche auf Reisen ist und seinen Körper nicht nur durch sportliche Belastung, sondern auch durch unterschiedliche klimatische Bedingungen, durch Anspannung und Stress täglich herausfordert, dann gibt es immer etwas, das man verbessern kann.
"Selbst an Tagen, an denen ich lange gespielt habe, will ich danach sichergehen, dass mein Wurf oder mein Dribbling noch passen, damit ich für das nächste Spiel am nächsten Tag bereit bin. Die ganzen kleinen Details, Mann, die kleinen Details. Auch wenn man nur eine Viertelstunde in der Halle steht, das summiert sich. Die ganze Zeit in der Halle summiert sich zu dem, wo ich jetzt stehe."
Wenn man sich die Konkurrenz in der NBA ansieht, vor allem in der Western Conference, dann muss man jeden Tag Höchstleistungen bringen. James Harden ist extrem ehrgeizig und weiß, was nötig ist, um in dieser Liga oben mitzuspielen. Die Tage, in denen Talent gegen harte Arbeit gewonnen hat, sind längst Geschichte, und sogar der amtierende MVP weiß das.
– Rahul Lal (folge Rahul auf Twitter @rlal95)
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